Die Architektur

Das im Jahre 1920  eingeweihte Herschelbad gehört zu den letzten städtischen  Monumentalbauten Mannheims, das noch der Stilarchitektur verpflichtet  ist. Mit diesem Neubau konnte ein bedeutendes Prestigeobjekt  verwirklicht werden. Das Herschelbad (Bauzeit 1912 – 1916) zählte mit  drei Schwimmhallen zu den großen Dreifachhallenbädern. Es steht am  Endpunkte der Entwicklung der vorsportlichen Grossbadeanstalten in  Deutschland, der so genannten “Jugendstilbäder” oder exakter der  Hallenbäder der zweiten Generation.

Trotz erheblicher  Kriegsschäden wird die unter Denkmalschutz stehende Anlage in ihrer  ursprünglichen Funktion auch heute noch genutzt, präsentiert sich aber  in einem zum Teil stark veränderten Erscheinungsbild. Die Veränderungen  sind jedoch architekturhistorisch interessant, da sie den Wandel in den  Badebedürfnissen zum Ausdruck bringen – und das Herschelbad somit die  unterschiedlichsten Strömungen des Badewesens in sich vereint.

Baubeschreibung

Bei der  Entwurfsbearbeitung und der Ausführung sind für den Architekten folgende Punkte maßgebend: Zweckmäßigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Modernität,  Dauerhaftigkeit und Schönheit. Um die Funktionalität der Anlage zu  garantieren, wird besonderer Wert auf die übersichtliche Anordnung der  Zugänge zu den einzelnen Badeabteilungen gelegt. Die Männer- und  Frauenabteilungen sollen strikt von einander getrennt werden, ebenso  innerhalb dieser Abteilungen die Bereiche für Straßen- und Badekleidung. Die von Männern und Frauen abwechselnd zu benutzenden Badeabteilungen  müssen ohne Umwege erreichbar sein und alle Räume viel Licht und Luft  erhalten.

Unter dieser Kuppel befindet sich die Männerschwimmhalle

Aus den genannten  Forderungen resultiert ein Grundrisskonzept, das folgendermaßen  aussieht: Die Hauptfront mit Haupteingang wird zur Karl-Friedrich-Straße gerichtet. An diesen Haupteingang in der Mitte schließt sich eine  Vorhalle an, von der aus man entweder über ein zentrales Treppenhaus die abgesonderte Volksbibliothek in den Obergeschossen erreicht, oder man  gelangt zu den Seiten dieser gewendelten Treppe in die zentrale Halle,  die den Mittelpunkt der Gesamtanlage bildet. Von hier aus hat der  Besucher Überblick auf sämtliche Zugänge zu den unterschiedlichen  Badeabteilungen. Die Einteilung nach den Geschlechtern ist so  durchgeführt, dass alle links von der Mittelachse liegenden Bäder  Frauen, rechts dagegen Männern vorbehalten sind. Dazwischen liegen  Abteilungen, die abwechselnd von beiden Parteien benutzt werden können.

Innenraum

In der Hauptachse  der Mittelhalle befinden sich die Kasse und der Personenaufzug zur  Schwitzbäderabteilung, dahinter die Wäscheausgabe mit anschließender  Wäscherei. Entlang dieser Ausgabe gelangt man links zum Eingang der  Frauenschwimmhalle (Bassin parallel zur Haupteingangsachse), rechts zum  Männerschwimmbad (Bassin entlang einer Querachse). Ferner sind von der  Mittelhalle die auf drei Geschosse verteilten, flankierenden  Wannenbadtrakte durch zwei in der Querachse liegende Treppenhäuser zu  erreichen, die auch zur gemeinsamen Schwitzbäderabteilung (im 1. und 2.  Obergeschoss) über der Wäscherei sowie zum Sonnenbad führen. Der  Besucher kann demnach die beiden Schwimmhallen unmittelbar und die  weiteren Badeabteilungen über die seitlichen Treppenhäuser erreichen.

Die historischen Flure und Treppen

Die dritte  Schwimmhalle liegt mit separatem Eingang, eigener Kasse und  Wäscheausgabe parallel zum Männerschwimmbad an der Schützen- und  Bauhof-Straße (Ecke zu den Quadraten U4/T3) bei den Nützlichkeitsbauten. Dieses Bad bildet folglich eine Einheit für sich und unterscheidet sich von den beiden anderen Schwimmhallen durch seine für den Massenbetrieb  zweckdienlichere Einrichtung. Das Hundebad, das abgesondert im  Kellergeschoss der Frauenhalle liegt, erhält einen eigenen Eingang von  der Karl-Friedrich-Straße aus, an der auch das Dienstwohngebäude steht.  Die Betriebsbauten liegen, von den Schwimmhallen eingefasst, in Richtung Schützen-Straße. Ein tiefer gelegener Wirtschaftshof erstreckt sich vor den Betriebsbauten und ist zur Straße hin von einer niedrigen Mauer  abgeschlossen. Hier befindet sich auch der von der Strasse aus befahrbare und von oben beschickbare Kohlenbunker.

Genügend Licht  erhalten sämtliche Räume sowohl aufgrund der günstigen, nach drei Seiten hin freien Lage des Bauplatzes, als auch durch die Anordnung der  Gebäude, die teilweise, um den Lichteinfallswinkel zu erhöhen, hinter  die Baufluchtlinie zurückgesetzt oder mit Höfen versehen werden. Alle  Schwimmhallen erhalten hohes Seiten- oder Stirnlicht; mit Oberlicht sind die Mittelhalle, die Kuppel des Frauenschwimmbades, der Ruheraum, z. T. die Volksbibliothek und die meisten Schwitzbäder versehen.

Das Quadrat U3

Das  Grundrisssystem, bei dem der zentrale Erschließungsbereich, die  Gemeinschaftsbäder und die Betriebsbauten auf einer Achse liegen und  seitlich von den für Männer und Frauen getrennten Badeabteilungen  umfasst werden, wird um 1920 als der ideale Grundriss für eine  Hallenbadeanstalt angesehen, da er sich als extrem funktionell,  wirtschaftlich, zudem auch benutzerfreundlich erweist und sich durch  kurze Verkehrswege auszeichnet.

Ausstattung

Die Modernität des  Herschelbades zeigt sich auch in der Ausstattung und der technischen  Einrichtung. Besondere Sorgfalt wird auch auf Konstruktion und  Ausführung verwendet und dabei ein hoher Qualitätsmaßstab gesetzt, da  Badeanstalten durch ständige Feuchtigkeit und hohe Raumtemperaturen  besonderer Abnutzung unterworfen sind.

Bei der  Fassadengestaltung werden eher konservative Wege beschritten. Perrey  wählt zumeist ruhige, barockisierende Formen, um so das Gebäude  harmonisch in die umgebende Architektur einzufügen. Die Fassaden sind  nicht verputzt, sondern materialsichtig, die Architekturgliederungen im  gesamten Bau in hellem Sandstein gehalten, die Ziegelwandflächen hell  verblendet. In seinem äußeren Bild präsentiert sich das Herschelbad  nicht als einheitlich, in sich geschlossenes symmetrisch durchgebildetes Gebäude, sondern ist dem Grundriss entsprechend aus unterschiedlichen  Baukörpern zusammengesetzt, die z. T. mit eigenen Giebeln zur Schauseite versehen sind oder sich durch versetzte Anordnung innerhalb des  Baublocks voneinander abgrenzen.

Der  architektonische Schwerpunkt des monumentalen Herschelbades liegt bei  der Ausgestaltung der Hauptfassade mit dem dominierenden  Eingangsbereich. Diese Fassade ist durch ihre symmetrische Durchbildung  und die geschlossene und rhythmisch betonte Front gekennzeichnet. Auch  der gedrungen und kompakt wirkende Turm über der Mittelhalle tritt in  seiner Formgebung stilistisch durch seine klare horizontale und  vertikale Gliederung sowie in seiner Reduktion auf einfache geometrische Grundformen hervor. Die eigentliche Bauaufgabe, d. h. die  Zweckbestimmung des Gebäudes als Hallenbad ist nicht unmittelbar an Hand des architektonischen Formengutes ablesbar. Lediglich die großen  Thermenfenster teilen die Funktion des Gebäudes mit, ebenso wie die  ikonographische Bauplastik der eigentlichen Hauptfassade. So zeigt das  Hochrelief des “Tympanon” (Frontispiz) in einer das gesamte Giebelfeld  einnehmenden Szene Poseidon, den griechischen Hauptgott der Meere und  Gewässer (mit Krone und Dreizack), begleitet von seinem Gefolge (hier  sein Sohn Triton mit der Spiralmuschel; eine Nereide/Meeresnymphe;  Pferde).

Innenausstattung

Im Gegensatz zu der konservativen Außenarchitektur finden sich im Innenraum vermehrt  moderne Materialien, Techniken und Formen. Besonderes Augenmerks wird in künstlerischer Hinsicht auf die architektonische Gestaltung der  marmornen Mittelhalle, des getäfelten Ruhe- und des Kuppelraumes der  römisch-irischen Badeabteilung sowie der drei Schwimmhallen gelegt, die  sich in ihrem Charakter und der vorherrschenden Farbgebung stark  voneinander unterscheiden. Die Raumgestaltung gewinnt ihren ästhetischen Reiz durch die Proportionierung und Strukturierung der Massen in  tragende und lastende Elemente.

Die Vorhalle hat  ursprünglich den Charakter einer kleinen Empfangshalle und wird durch  bemalte Kreuzgratgewölbe bestimmt. Die Volksbibliothek weist eine  wohnliche Ausstattung (Farbtöne hellgrün und gelb) auf. Die über zwei  Geschosse geführte Mittelhalle mit dem repräsentativen Marmorsockel und  dem ehemals farbig verglasten Oberlicht erinnert zunächst an  Renaissancehöfe, zeigt jedoch einen anderen architektonischen Aufbau,  der Einfluss auf die Proportion der Halle nimmt: Statt Arkaden in  Superposition zu setzen und mit Blendordnungen zu versehen, wählt der  Architekt zweigeschossige Arkadenbögen mit zwischengehängtem  Galeriegeschoss und applizierter Kolossalpilasterordnung, wodurch die  Halle gestreckter erscheint. Das Mittelhallentragewerk in  Skelettbauweise mit Eisenbeton, z. T. noch in historisierendem Gewand,  gibt sich jedoch in dem Deckenbereich klar zu erkennen. Die Männer und  Frauenschwimmhalle verfügen über ein vergleichbares architektonisches  Gliederungssystem, bei dem die Bassins von rhythmisierten Pfeilern  umstellt werden, die in Gewölbe- bzw. Galeriestützen unterschieden sind  und zwischen denen die Umkleidekabinen auf zwei Geschossen eingefügt  werden. Es entsteht ein Raumeindruck, der durch seine vielschichtige  Raumabgrenzung geprägt ist und daher häufig Anlass zu Vergleichen mit  der islamischen Architektur (Moscheen) gibt.

Die  Männerschwimmhalle (Becken hellgrün, Sockel blaugrün, Wand- und  Deckenflächen gelb), ein von Rundbögen dominierter, gerichteter  Longitudinalbau mit Tonnengewölbe, erhält durch die “Apsis” einen fast  sakralen Charakter.

Das  Erscheinungsbild der Volksschwimmhalle (Becken hellgrün, Sockel gelb,  Wand- und Deckeflächen weiß, überhöhtes Tonnengewölbe mit Unterzügen)  ist ein anderes, da hier die Rundumgalerie auf Konsolen ruht und der  Blick direkt auf die Raumabgrenzung fällt. Im repräsentativen  Warmbaderaum auf kreisförmigem Grundriss mit kassettierter Kuppel, einem runden Tauch- sowie schmalen Kaltbecken, ist die historische blaugrüne  Majolikabefliesung erhalten geblieben und vermittelt heute noch einen  Eindruck der ehemals vielfältigen Farbnuancen.

Kunsthistorische Einordnung

Das Herschelbad  vereinigt unterschiedliche Traditionen der Bäderarchitektur: So werden  die antiken römischen Thermen am deutlichsten als Vorbilder zitiert, es  fließen aber auch Elemente der islamischen und englischen Bäder in die  Konzeption ein. Auch zukunftsweisende Aspekte im Hinblick auf die  modernen Freizeitbäder sind hier bereits in dem reichhaltigen und  abwechslungsreichen Angebot sowie der attraktiven und ästhetischen  Gestaltung vorhanden. Daher trägt das Herschelbad dem heutigen Bedürfnis nach differenzierten und multifunktionalen Badeanlagen Rechnung und  kann sich deshalb gut gegenüber den typisierten Sportbädern behaupten;  außerdem bildet es durch seine zentrale Lage, die erschwinglichen  Eintrittspreise und die besondere, entspannende Badeatmosphäre eine  sinnvolle Alternative zu den Freizeitbädern.

Nach der Verfasserin: Aina Hedström

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